Die alten linken
Denkschablonen funktionieren nicht mehr. Die AfD ist keine faschistische
Partei, sie ist keine NPD und wird es auch aller Voraussicht nach nicht werden.
Die versuchte Stigmatisierung von links entlang dieser bekannten Schablonen
führt fatal in die Irre. Man arbeitet damit auch vorbei an dem tatsächlichen
Rechtsruck in der bundesdeutschen Gesellschaft, wie er sich mal mehr, mal
weniger sichtbar, derzeit vollzieht.
Der Göttinger Fachkollege
David Bebnowski [i] hat einen klugen Kommentar [ii] geschrieben, dessen Argumentation ich in fast allen Punkten teile und
hier zum Teil ergänzen möchte (alle Zitate sind, wenn nicht anders
gekennzeichnet, aus seinem Blogbeitrag). Wo ich die Argumentation nicht teile,
sehe ich erheblichen Verständigungsbedarf unter den KritikerInnen der AfD. Ich
fasse also zunächst Bebnowskis Thesen zusammen, denen ich zustimme und die
weite Beachtung verdient haben.
Erstens weist er darauf hin, dass auch in Großbritannien gilt, was für Frankreich, Österreich und die Niederlande bereits länger nachgewiesen ist: Die erfolgreiche rechtspopulistische Partei in diesem Land ist dort jeweils auch eine „Partei der kleinen Leute“. Diese Tatsache tut insbesondere Linken immer wieder so weh, dass sie sich um Erkenntnis und Analyse mit beachtlicher Konsequenz herumdrücken. Dafür mag es unterschiedliche Gründen geben - sei es, weil sie auf das Proletariat nichts kommen lassen: „Die Arbeiter, die Arbeiter, die haben immer recht“. Sei es, weil der Erfolg des Rechtspopulismus an der Urne auch ihr eigenes Scheitern bescheinigt, denn bei gegebener Beteiligung sind Wahlen nun mal ein Nullsummenspiel. Was der Rechtspopulismus gewann, muss auch bei der Linken verloren gegangen sein.
Erstens weist er darauf hin, dass auch in Großbritannien gilt, was für Frankreich, Österreich und die Niederlande bereits länger nachgewiesen ist: Die erfolgreiche rechtspopulistische Partei in diesem Land ist dort jeweils auch eine „Partei der kleinen Leute“. Diese Tatsache tut insbesondere Linken immer wieder so weh, dass sie sich um Erkenntnis und Analyse mit beachtlicher Konsequenz herumdrücken. Dafür mag es unterschiedliche Gründen geben - sei es, weil sie auf das Proletariat nichts kommen lassen: „Die Arbeiter, die Arbeiter, die haben immer recht“. Sei es, weil der Erfolg des Rechtspopulismus an der Urne auch ihr eigenes Scheitern bescheinigt, denn bei gegebener Beteiligung sind Wahlen nun mal ein Nullsummenspiel. Was der Rechtspopulismus gewann, muss auch bei der Linken verloren gegangen sein.
Zweitens, so erörtert Bebnowski zutreffend, unterscheidet sich die AfD bislang
noch deutlich von diesem „plebejischen“ UnterstützerInnen-Profil von Front
National, United Kingdom Independence Party, Freiheitliche Partei Österreichs
und Partij voor de Vrijheid. „Die AfD
jedenfalls, alle Nachwahlbefragungen zeigen es, wird nicht besonders häufig von
Arbeitern oder Arbeitslosen gewählt. Ganz im Gegenteil. Die Zielvorgabe, eine
kleine Volkspartei der Mitte zu bilden, passt. Die AfD rekrutiert sich aus
allen Gruppen der berufsaktiven Mitte der Gesellschaft und wird von den
mittleren Schichten dominiert. Ganz ähnlich ist es bei PEGIDA, zumindest wenn
man den vielen unterschiedlichen Studien der letzten Wochen, in Kenntnis aller
methodischen Einschränkungen, Glauben schenkt“.
Drittens registriert Bebnowski einen ganz zentralen Punkt, wenn er ausführt,
wie die wahrgenommene Artikulationsschwäche von gesellschaftlich
Marginalisierten zum Einfallstor für die AfD werden kann. Er hat auch
zutreffend den intellektuellen Kopf derjenigen in der AfD identifiziert, die
sich Ansprache und wahlpolitisches „Einsammeln“ des sogenannten Prekariats zum
Ziel gesetzt haben. Es handelt sich um Alexander Gauland, den Vorsitzenden der
Brandenburger AfD und ihrer Landtagsfraktion, der in vorherigen Leben Chef
einer Staatskanzlei unter der sog. „Stahlhelm-CDU“ in Hessen sowie anderthalb
Jahrzehnte Chef der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ gewesen ist. „Politisch agiert Gauland erschreckend
schlau. Indem er den Fokus auf die Unfähigkeit zur Artikulation richtet,
polemisch die Islamwissenschaft als Sparringspartner in den Ring führt,
attackiert er eine allzu bekannte gesellschaftliche Spaltung. Es ist der viel
beklagte Riss zwischen den sprichwörtlichen Bildungsverlierern und den
Bildungsgewinnern, wobei diese Begriffe kaum fallen. Gauland agitiert hier
kalkulierend und strategisch gegen einen tief fühlbaren gesellschaftlichen
Bruch: Die Elite, die hier unter Anklage steht, das ist die Bildungselite, die
das, was öffentlich gesagt wird, zumindest beeinflussen und mitformen kann.
Damit, so viel verraten Gespür und jede Einführung in die Diskurstheorie, kommt
ihr natürlich auch eine Möglichkeit zur Beeinflussung des Debattenklimas zu.
(…) Deshalb ist auch klar, wer als ein bevorzugtes Ziel von PEGIDA und AfD
gilt: die Journalisten der ‚Systemmedien‘, die in den Augen der Menge ohnehin
nur Lügen verbreiten; die Berufspolitiker der ‚Blockparteien‘, die
Fachchinesisch sprechen; die – natürlich – ‚linken‘ Wissenschaftler, wie auch
der Autor dieses Artikels einer ist“. Das ist ein entscheidender Punkt. Unterschiedliche
Umfragen gehen je nach Fragestellung und Methode von bis zu einem Drittel der
Bevölkerung aus, das den Inhalten von AfD und Pegida immerhin teilweise
zustimmt [iii]. Gemessen an ihrem Anteil an der Bevölkerung finden diese Leute
tatsächlich deutlich weniger schillernde Figuren als Projektionsfläche ihrer
politischen Vorstellungen. Und tatsächlich wurden all diejenigen KandidatInnen
dafür in den vergangenen Jahren entweder aus prominenten bzw. verantwortlichen
Positionen entfernt oder sie werden nur dann auf die Bühne geholt, wenn um sie
„umstrittene“, also Kontroversen-Auslöser diskutiert werden soll: Eva Herman,
Thilo Sarrazin, Heinz Buschkowsky, Friedrich Merz u.a. Weniger, dass es deren
Positionen gar nicht gibt, scheint das Problem zu sein, sondern dass alle in
der öffentlich-rechtlichen Talkrunde isoliert wirken, wenn sie diese Position
vertreten - unabhängig davon, wie viele Leute sie hinter sich wissen.
Allerdings erobern sich die sog. „Wutbürger“ unterhalb dieser hochoffiziellen
Ebene einen Teil der Öffentlichkeit zurück, nämlich in den sozialen Medien und
im Web, wenn sie kritische Kommentare zu ihren Leitfiguren mit Häme und
Denunziation überziehen, wütende Protestemails und -briefe versenden oder bei
politischen Veranstaltungen in den Städten die Publikumsdiskussion im Anschluss
an die Debatte auf dem Podium zum unerträglichen, oft lautstarken
Spießrutenlauf werden lassen [iv]. An dieser Stelle muss man Bebnowskis These allerdings korrigieren.
Es sind nämlich keineswegs nur die Prekarisierten, die materiell
Schlechtergestellten und kulturell Artikulationsschwachen, die die Löwenhaut
des „Wutbürgers“ überstreifen, weil sie sich unzureichend bestätigt fühlen. Es
sind nicht zuletzt etablierte Bürgerliche, die wir unter diesem Hut erkennen
können. Auch Exemplare aus dem „gediegenen Bürgertum“ sind es, die
beispielsweise in München eine als Debatte gedachte Veranstaltung mit Thilo
Sarrazin zur furchtbaren Akklamationsveranstaltung für den vermeintlichen
Tabu-Brecher werden ließen. „Da wurde
gezischt, gebuht und lautstark dazwischen gerufen, wenn die beiden anderen
Podiumsteilnehmer, Handelsblatt Chefredakteur Gabor Steingart und der
Soziologie-Professor an der Ludwig-Maximilians Universität in München Armin
Nassehi, es wagten, Sarrazin zu kritisieren. In der Münchner Reithalle
herrschte ein Hauch von Sportpalast. Gut gekleidete Grauköpfe ereiferten sich
nicht nur, sie geiferten“ [v]. Ähnlich stellt es sich auch bei der AfD dar, wo es keineswegs nur die
VertreterInnen eines „abgehängten Prekariats“ sind, die menschenfeindlichen,
verschwörungstheoretischen und paranoiden Positionen zuneigen. Ein ZEIT-Artikel
über die Gründung des AfD-Mittelstandsforums in Kassel-Wilhelmshöhe endet
damit, dass ein Rechtsanwalt aus eben dieser Stadt „erzählt von den Kagida-Demos. Er selbst ist schon mal mitgelaufen.
»Weil die sich trauen, die Wahrheit zu sagen.« Ein Unternehmer aus Thüringen,
der Spielautomaten vertreibt, war schon viermal in Dresden zur Pegida-Demo.
Weil die »Flüchtlingsschwemme« ein Ende haben müsse. Und ein Architekt aus
Sachsen … verstummt beim Anblick des Reporterblocks: »Na, kommen Sie von der
Lügenpresse?«, fragt er“ [vi].
Viertens kritisiert der Göttinger Kollege zu Recht die völlig unproduktive
Entlarvungshaltung von vielen Linken, die es bereits für ein hinreichendes
Totschlagargument halten, auf das empirisch nachweisbare Anwachsen
menschenfeindlicher Einstellungen hinzuweisen. Nun legt eine Zusammenfassung
entsprechender Befunde aus Bielefeld, Leipzig und vom Bodensee sogar das
Gegenteil nahe, dass nämlich menschenfeindliche Einstellungen unterm Strich
eher rückläufig, wenn auch noch lange nicht verschwunden und bei den noch
Betroffenen sogar stärker geworden sind.[vii] Das grundsätzliche Problem bestehe aber, so Bebnowski zutreffend, in
der Weigerung von Linken, die Alltagsrealitäten der „kleinen Leute“ ernsthaft
zur Kenntnis nehmen zu wollen. „Diese
Selbstblockade ist wohl auch ein Resultat einer verkürzten, sprunghaften
Diskurstheorie, die Menschen mit ihren Äußerungen identifiziert und in ihren
Artikulationen festschreibt, ohne zu hinterfragen, wie diese Urteile zustande
kommen.7 Selten nur reicht die Hermeneutik des Verdachts so weit, nachzufragen,
ob diese Anschauungen nicht Symptome nicht greifbarer Konflikte und vielleicht
doch reversibel sind. Und auch die überaus wichtigen Befunde der
Einstellungsforschung führen ins politische Nirgendwo, wenn sie ausschließlich
dazu benutzt werden, nachzuweisen, wie rechts die Gesellschaft bereits ist“.
Wer so vorgeht, hat alles entlarvt, aber nichts verstanden, und fühlt sich
womöglich noch ganz gut in seiner Ignoranz. (Warum Bebnowski allerdings im
Anschluss an seine meines Erachtens richtige These ausgerechnet Ernesto Laclau
bemüht, bleibt mir allerdings etwas rätselhaft. Laclaus Postmarxismus hat wahrscheinlich
so viel wie kaum eine andere Theorietradition zur Abschirmung akademischer
Linker von der massenwirksamen politischen Sprache und Praxis beigetragen)
Fünftens, so sieht es Bebnowski, verfüge die AfD bereits über die „passende
Ideologie“, um die von allen anderen Parteien (einschließlich denen der Linken)
am Wegrand zurückgelassenen „kleinen Leute“ einzusammeln, nämlich mit einer „Mischung aus Neoliberalismus und hartem
Konservatismus“. Er geht soweit feststellen zu wollen, dass der Konflikt
zwischen Liberalen und Konservativen in der AfD aufgebauscht sei, weil sie sich
in diesen beiden Weltanschauungen „in den
Grundannahmen gesellschaftlicher Steuerung trefflich“ ergänzen würden.
Bebnowski sieht einen Trend zu dieser ideologischen Mischung bei allen
erfolgreichen rechtspopulistischen Parteien Westeuropas. „Es kann den ‚kleinen Leuten‘, die die europäischen Rechtspopulisten
wählen, eben nicht mehr in erster Linie um eine sozialstaatliche Absicherung
gehen. Dann dürfte die Arbeiterklasse die neoliberalen österreichischen,
niederländischen, schweizerischen, italienischen und französischen
Rechtspopulisten nicht wählen! Erst recht nicht die britische UKIP, die in
ihrer wirtschaftlichen Ausrichtung ähnlich ‚wettbewerbspopulistisch‘ agiert wie
die AfD“. Die Einschätzung begründet der Kollege damit, dass die
Alltagserfahrungen der „kleinen Leute“ eine Zustimmung zur
neoliberal-konservativen Agenda, die er bei den Rechtspopulisten vertreten
sieht, einen plausiblen Resonanzkörper finden. „Darf man sich darüber wundern, dass die deregulierte
Wettbewerbsgesellschaft dort ‚unten‘ verfängt? Ganz sicher nicht. Das
Strampeln, die Durchsetzung nicht erst im Beruf, sondern in Auswahlgesprächen
zur Ausbildung, der physische Kampf in den Hinter- und Schulhöfen, das Gefühl,
nur dann erfolgreich zu sein, wenn man an sich denkt, durchaus auch mit Fäusten
und Ellenbogen unfair spielt, dies alles kennen die Prekarisierten aus endlosen
biographischen Wiederholungen“. Dies begründe auch den Erfolg der AfD in
den neuen Bundesländern bei den Landtagswahlen 2014, handelt es sich dort
schließlich um ein Elektorat, das erhebliche biographische Brüche und
Entbehrungen hat hinnehmen müssen.
Diese fünfte These Bebnowskis
halte ich für nachweisbar falsch und sie führt möglicherweise zu einer
Fehlorientierung in Auseinandersetzungen mit der AfD. Die These erinnert stark
an eine Charakterisierung des Fachkollegen Herbert Kitschelt, wonach für
Rechtspopulisten die oben genannte Mischung aus (autoritärem) gesellschaftspolitischem
Konservatismus und neoliberaler Wirtschaftspolitik das „Erfolgsrezept“
schlechthin sei. Die Forschungsarbeiten vergangener Jahre weisen allerdings
deutlich auf eine Wiederlegung dieser These hin [viii].
Auch Bebnowskis Hinweise auf
die Programmatik der anderen rechtspopulistischen Parteien halten dem Abgleich
nicht stand. Früher war die wirtschafts- und sozialpolitische Programmatik von
Front National, UKIP, FPÖ (und der später entstandenen PVV) eher vage gehalten,
um den typischen, stimmungsgetriebenen Opportunismus dieser Parteien nicht zu
behindern. In den vergangenen Jahren haben diese Parteien sich aber auf eine
Position zubewegt, die der französische Politologe Dominique Reynié als
„Besitzstandspopulismus“ bezeichnet. Diese Parteien versprechen den Leuten,
nicht nur ihren kulturellen Besitzstand, sondern auch ihrem materiellen
Lebensstandard, einschließlich ihrer Ansprüche an soziale Sicherungen gegen
wahrgenommene Bedrohungen zu verteidigen (populisme patrimonial)[ix].
Keine der oben genannten
rechtspopulistischen Parteien nimmt heute den Wohlfahrtsstaat pauschal
rhetorisch unter Beschuss, wie es Ronald Reagan [x] und Margaret Thatcher [xi] in den 1980er Jahren taten. Im Unterschied zu Thatcher, die wenig für
einkommensschwache Menschen übrig hatte und ursprünglich das öffentliche
Gesundheitssystem, den National Health Service, privatisieren wollte, stellt
sich die UKIP in ihrem Europawahlprogramm von 2014 offensiv vor diese
Nachkriegserrungenschaft. Die Partei von Nigel Farage will die
Gesundheitsdienstleistungen gebührenfrei erhalten, den sozialen Wohnungsbau
forcieren und sogar die Energiearmut bekämpfen – natürlich nur für „echte“
Briten [xii]. Geert Wilders PVV kündigte die Unterstützung der niederländischen
Minderheitsregierung auf, weil sie deren Sparpolitik nicht mitmachen wollte,
und opponierte ursprünglich auch gegen die Erhöhung des abschlagsfreien
Renteneintrittsalters [xiii]. Marine Le Pen forderte im selben Jahr als Präsidentschaftskandidatin
des französischen Front National eine stärker progressive Einkommenssteuer,
eine großzügigere soziale Grundsicherung und einen sozialen und ökonomischen
Protektionismus, um Industriekapazitäten in Frankreich gegen den
Wettbewerbsdruck des EU-Binnenmarkts zu schützen - natürlich alles nur für „echte“
FranzösInnen [xiv]. Die RechtspopulistInnen Westeuropas haben klug verstanden, dass es
nach dem Bankrott des Staatssozialismus und dem von Liberal-Konservativen
proklamierten „Ende der Geschichte“ keine positiven Zukunftserwartungen mehr
gibt, die über den nächsten Wahltermin hinausweisen. Fast nie geht es darum,
ein weitergehendes Fortschrittsversprechen einzulösen. Wenn die anderen Parteien
größere programmatische Versprechen anbieten wie Kampf gegen
Einkommensungleichheit, Arbeitslosigkeit oder Umweltschädigungen, handelt es
sich immer um Reparaturarbeiten an
den Folgen der industrie-kapitalistischen Gesellschaft, wie wir sie kennen. Allerdings
sind die Parteien des Mainstreams nicht willens oder nicht fähig, hier
Verantwortliche zu benennen und anzugehen. So verlegen sind die
RechtspopulistInnen dann nicht, sondern bieten Feindbilder an, die wenn auch
oftmals sachlich nicht zutreffend, so doch zumindest greifbar und
nachvollziehbar sind. Und leider scheinen die Mainstream-Parteien regelmäßig
daran zu arbeiten, dem Rechtspopulismus recht geben zu wollen. Oder hat sich etwa
nicht François Hollande mit bemerkenswerter Rückgratlosigkeit von seiner
Gegnerschaft zur Merkelschen Sparpolitik verabschiedet? [xv] Wurde etwa nicht sein Haushaltsminister, der die Steuerflucht
bekämpfen sollte, noch im ersten Amtsjahr der Steuerflucht überführt? [xvi] Kungelt etwa nicht Sigmar Gabriel beim Weltwirtschaftsforum in Davos
mit den Großkapitalisten und denunziert implizit die eigene Partei wegen ihrer
Gegnerschaft zu TTIP, nachdem er zuvor noch Anderes mit beschlossen hatte? [xvii]
Es ist deswegen ein Irrtum,
den Streit zwischen Nationalkonservativen wie Alexander Gauland sowie Konrad
Adam einerseits und Wirtschaftsliberalen wie Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel
andererseits für oberflächlich oder nur ein Fegefeuer der Eitelkeiten zu
halten. Der interne Konflikt der AfD ist sehr real, es handelt sich mindestens
um einen „Kampf der zwei Linien“. Konsequent zuende gedacht passen
Neoliberalismus und besitzstandspopulistischer Nationalkonservatismus nämlich nicht
zusammen. Natürlich könnte die AfD versuchen, bewusst unscharf zu bleiben und
beide Orientierungen, den nationalkonservativen „Besitzstandspopulismus“ und
den elitären Neoliberalismus nebeneinander zu pflegen. Das klappt vielleicht
noch bei Parteitagen. Aber spätestens bei konkreten, öffentlich bekannten
Entscheidungen in Gremien und Parlamenten wird es damit aber schwierig. Kann
sich ernsthaft jemals vorstellen, dass ein Bernd Lucke – Alleinvorsitz samt
einem loyalen Generalsekretär hin oder her – die Partei auf neoliberalem Kurs
halten kann selbst gegen einen permanenten „Shitstorm“ der Basis, weil ihre
ParlamentarierInnen für TTIP,
Erhöhung des Renteneintrittsalters und Sanktionen für Russland, aber zugleich gegen Einschränkungen der
Religionsfreiheit oder der Freizügigkeit abstimmen, wie es einer neoliberalen
Partei entspräche?
[i] http://www.demokratie-goettingen.de/mitarbeiter/wissenschaftliche-mitarbeiter/david-bebnowski
[ii] http://www.demokratie-goettingen.de/blog/partei-der-kleinen-leute-2
[iii] http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/allensbach-studie-deutsche-sehen-einwanderung-nuechtern-13325544.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
[iv] http://www.faz.net/pegida-proteste-schrecklich-einfach-13352769.html
[v] http://www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen/sarrazin-wirbel-um-auftritt-in-muenchen-therapeut-und-brandstifter-1.1006734
[vi] Caterina Lobenstein, Chef sucht ein Zuhause. Wie die AfD die Seele
von Unternehmern streichelt, die sich von der Politik alleingelassen fühlen, in
DIE ZEIT Nr. 5, 2015, S. 5.
[vii] Max Lill, Trügerische Ruhe im bedrohten Paradies? Zur Entwicklung
von Ressentiments und rechtsextremen Stimmungslagen im Alltagsbewusstsein der
Deutschen - Empirische Befunde und Erklärungsansätze, Rosa Luxemburg-Stiftung,
Berlin 2015.
[viii] Cas Mudde, Populist Radical Right Parties
in Europe, Cambridge 2007, Kap. 5.
[ix] Dominique Reynié, Les nouveaux
Populismes. Edition revue et augmentée, Paris, 2013, S. 37f.
[x]
http://edition.cnn.com/2012/01/23/politics/weflare-queen/
[xi]
http://www.theguardian.com/politics/2012/dec/28/margaret-thatcher-role-plan-to-dismantle-welfare-state-revealed
[xii]
http://d3n8a8pro7vhmx.cloudfront.net/themes/5308a93901925b5b09000002/attachments/original/1398167812/EuroManifestoMarch.pdf?1398167812
[xiii]
http://www.dutchnews.nl/news/archives/2012/04/austerity_talks_collapse_as_wi/
[xiv]
http://www.frontnational.com/pdf/projet_mlp2012.pdf
[xv]
http://www.telegraph.co.uk/finance/comment/ambroseevans_pritchard/10572654/Francois-Hollande-vows-supply-side-assault-on-French-state-doubles-down-on-EMU-austerity-agenda.html
[xvi]
http://www.liberation.fr/politiques/2015/01/05/fraude-fiscale-le-parquet-requiert-le-renvoi-en-correctionnelle-de-cahuzac_1174260
[xvii]
http://blog.campact.de/2015/01/gabriel-bezeichnet-deutsche-als-reich-und-hysterisch/
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